Die Mikrosatelliten-Instabilität (“microsatellite instability“, MSI) wird oft im Zusammenhang mit Krebs diskutiert. Um die MSI besser zu verstehen, muss erst klar sein, was Mikrosatelliten sind. In der Genetik versteht man unter Mikrosatelliten eine Reihe von sich wiederholenden Nukleotiden, die aus zwei bis sechs Basen bestehen. Diese Wiederholungen werden auch kurze Tandemwiederholungen (“short tandem repeats“, STRs) oder einfache Sequenzwiederholungen („simple sequence repeats“, SSRs) genannt. Die kurzen Nukleotidsequenzen werden oft zwischen 5- und 65-mal an einer bestimmten genomischen Position wiederholt. Mikrosatelliten sind über das gesamte Genom verteilt. Häufig befinden sie sich in nicht-kodierenden Regionen. Da sich die Anzahl der wiederholten Segmente zwischen verschiedenen Personen unterscheidet, können Mikrosatelliten als genetische Fingerabdrücke bei Proben von Tatorten hilfreich sein.
Mutationen in Mikrosatelliten führen oft zur Zu- oder Abnahme einer oder sogar mehrerer Wiederholungseinheiten. Der eigentliche Grund für diese Mutationen ist noch nicht ganz geklärt. Die Mutationsrate an den Positionen der Mikrosatelliten unterscheidet sich von den übrigen Mutationsraten und ist abhängig von der Wiederholungssequenz, der Anzahl der Wiederholungen und der Reinheit der sich wiederholenden Sequenzen. Sie steigt insbesondere bei zunehmenden Wiederholungszahlen. Normalerweise repariert das DNA-Fehlpaarungs-Reparatursystem (“mismatch repair”, MMR) die Fehler, die während der DNA-Replikation auftreten. Daher sollten Mutationen in Mikrosatelliten mit einem funktionierenden Fehlpaarungs-Reparatursystem korrigiert werden. Wenn das Fehlpaarungs-Reparatursystem jedoch nicht korrekt funktioniert, dann können die Sequenzierfehler nicht adäquat korrigiert werden und neue Mikrosatelliten-Fragmente entstehen.
Da sich viele Tumorzellen sehr schnell replizieren, können auch vermehrt Sequenzierfehler auftreten. Wenn das Fehlpaarungs-Reparatursystem nicht korrekt funktioniert, können sich Mikrosatelliten in größerem Maße anhäufen oder verloren gehen. Das ist dann unter dem Begriff Mikrosatelliten-Instabilität bekannt. Die Mikrosatelliten-Instabilität kann also als indirekte Detektionsmethode für Probleme oder Fehlfunktionen des Fehlpaarungs-Reparatursystems verwendet werden. Das ist vor allem hilfreich, da die Gene für die Reparaturproteine nicht gebündelt in so-genannten Hotspots vorkommen, was eine molekulargenetische Analyse schwierig macht. Der Vergleich der Mikrosatelliten von Tumorzellen und normalen Zellen kann also wertvolle Einblicke geben, ob das Fehlpaarungs-Reparatursystem in Tumorzellen beeinträchtigt ist – oder sogar eine treibende Kraft bei der Tumorerkrankung und Tumorentwicklung spielt.
Basierend auf ihrer Häufigkeit unterscheidet man drei Typen von MSI: hohe Mikrosatelliten-Instabilität (MSI-H), niedrige Mikrosatelliten-Instabilität (MSI-L) und die Mikrosatelliten-Stabilität (MSS). Patienten mit MSI-H Tumoren sprechen besonders gut auf Immuntherapien an. Daher kann der MSI-Status eines Patienten wertvolle Informationen für eine geeignete Behandlungsstrategie liefern.
Abbildung 1 | Mikrosatelliten-Instabilität. Mikrosatelliten, die auch kurze Tandemwiederholungen (“short tandem repeats“, STR) genannt werden, sind eine Reihe von sich wiederholenden Nukleotiden. Das DNA-Fehlpaarungs-Reparatursystem ist dafür verantwortlich, Fehler in Mikrosatelliten, die bei der DNA-Replikation entstehen, zu korrigieren. Wenn das Fehlpaarungs-Reparatursystem diese Fehler nicht korrekt repariert, kann die so-genannte Mikrosatelliten-Instabilität entstehen, die zu variablen Allel-Längen führt.